1 Java ist auch eine Sprache
»Wir produzieren heute Informationen en masse, so wie früher Autos.«
– John Naisbitt (* 1929)
Nach 20 Jahren hat sich Java als Plattform endgültig etabliert. Millionen Softwareentwickler verdienen weltweit mit der Sprache ihre Brötchen, Milliarden Geräte führen Java-Programme aus, z. B. alle Blu-ray-Player. Es gibt Millionen Downloads von Oracles Laufzeitumgebung in jeder Woche.
Dabei war der Erfolg nicht unbedingt vorhersehbar. Java[ 4 ](Just Another Vague Acronym (etwa »bloß ein weiteres unbestimmtes Akronym«) ) hätte einfach nur eine schöne Insel, eine reizvolle Wandfarbe oder eine Pinte mit brasilianischen Rhythmen in Paris sein können, so wie Heuschrecken einfach nur grüne Hüpfer hätten bleiben können. Doch als robuste objektorientierte Programmiersprache mit einem großen Satz von Bibliotheken ist Java als Sprache für Softwareentwicklung im Großen angekommen und im Bereich plattformunabhängiger Programmiersprachen konkurrenzlos.
1.1 Historischer Hintergrund
In den 1970er-Jahren, als die Hippies noch zu Jimi Hendrix tanzten, wollte Bill Joy eine Programmiersprache schaffen, die alle Vorteile von MESA[ 5 ](Die Programmiersprache MESA wurde in den 1970er-Jahren am Forschungszentrum Xerox Palo Alto Research Center (Xerox PARC) entwickelt. Damit wurde der Xerox Alto programmiert, der erste Computer mit kompletter grafischer Oberfläche. Die Syntax von MESA weist Ähnlichkeiten mit Algol und Pascal auf. ) und C vereinigen sollte. Diesen Wunsch konnte sich Joy, Mitbegründer von Sun Microsystems, zunächst nicht erfüllen, und erst Anfang der 1990er-Jahre beschrieb er in dem Artikel »Further«, wie eine neue objektorientierte Sprache aussehen könnte; sie sollte in den Grundzügen auf C++ aufbauen. Erst später wurde ihm bewusst, dass C++ als Basissprache ungeeignet und für große Programme unhandlich ist.
Zu jener Zeit arbeitete James Gosling am SGML-Editor Imagination. Er entwickelte in C++ und war mit dieser Sprache ebenfalls nicht zufrieden. Aus diesem Unmut heraus entstand die neue Sprache Oak. Der Name fiel Gosling ein, als er aus dem Fenster seines Arbeitsraums schaute – und eine Eiche erblickte (engl. oak), doch vielleicht ist das nur eine Legende, denn Oak steht auch für Object Application Kernel.
Patrick Naughton startete im Dezember 1990 das Green-Projekt, in das Gosling und Mike Sheridan involviert waren. Ein Überbleibsel aus dem Green-Projekt ist der Duke, der zum bekannten Symbol wurde.[ 6 ](Er sieht ein bisschen wie ein Zahn aus und könnte deshalb auch die Werbung eines Zahnarztes sein. Das Design stammt übrigens von Joe Palrang. )
Die Idee hinter diesem Projekt war, Software für interaktives Fernsehen und andere Geräte der Konsumelektronik zu entwickeln. Bestandteile dieses Projekts waren das Betriebssystem Green-OS, Goslings Interpreter Oak und einige Hardwarekomponenten. Joy zeigte den Mitgliedern des Green-Projekts seinen Further-Aufsatz und begann mit der Implementierung einer grafischen Benutzeroberfläche. Gosling schrieb den Original-Compiler in C, und anschließend entwarfen Naughton, Gosling und Sheridan den Runtime-Interpreter ebenfalls in C – die Sprache C++ kam nie zum Einsatz. Oak führte die ersten Programme im August 1991 aus. So entwickelte das Green-Dream-Team ein Gerät mit der Bezeichnung *7 (Star Seven), das es im Herbst 1992 intern vorstellte. Der ehemalige Sun-Chef Scott McNealy (der nach der Übernahme von Oracle im Januar 2010 das Unternehmen verließ) war von *7 beeindruckt, und aus dem Team wurde im November die Firma First Person, Inc. Nun ging es um die Vermarktung von Star Seven.
Anfang 1993 hörte das Team, dass Time Warner ein System für Set-Top-Boxen suchte. (Set-Top-Boxen sind elektronische Geräte für Endbenutzer, die etwa an einen Fernseher angeschlossen werden.) First Person richtete den Blick vom Consumer-Markt auf die Set-Top-Boxen. Leider zeigte sich Time Warner später nicht mehr interessiert, aber First Person entwickelte (sich) weiter. Nach vielen Richtungswechseln konzentrierte sich die Entwicklung auf das World Wide Web (kurz Web genannt). Die Programmiersprache sollte Programmcode über das Netzwerk empfangen können, und fehlerhafte Programme sollten keinen Schaden anrichten. Damit konnten die meisten Konzepte aus C(++) schon abgehakt werden – Zugriffe über ungültige Zeiger, die wild den Speicher beschreiben, sind ein Beispiel. Die Mitglieder des ursprünglichen Projektteams erkannten, dass Oak alle Eigenschaften aufwies, die nötig waren, um es im Web einzusetzen – perfekt, obwohl es ursprünglich für einen ganz anderen Zweck entwickelt worden war. Die Sprache Oak erhielt 1994 den Namen Java, da der Name Oak von Oak Technology schon angemeldet war. Nach der Überlieferung fiel die Entscheidung für den Namen Java in einem Coffeeshop. In Java führte Patrick Naughton den Prototyp des Browsers WebRunner vor, der an einem Wochenende entstanden sein soll. Nach geringfügiger Überarbeitung durch Jonathan Payne wurde der Browser HotJava getauft und im Mai auf der SunWorld ’95 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Zunächst konnten sich nur wenige Anwender mit HotJava anfreunden. So war es ein großes Glück, dass Netscape sich entschied, die Java-Technologie zu lizenzieren. Sie wurde in der Version 2.0 des Netscape Navigators implementiert. Der Navigator kam im Dezember 1995 auf den Markt. Am 23. Januar 1996 wurde das JDK 1.0 freigegeben, das den Programmierern die erste Möglichkeit gab, Java-Applikationen und Web-Applets (Applet: »A Mini Application«) zu programmieren. Kurz vor der Fertigstellung des JDK 1.0 gründeten die verbliebenen Mitglieder des Green-Teams die Firma JavaSoft. Und so begann der Siegeszug.
Wo ist die Sonne? Oracle übernimmt Sun Microsystems 2010
Java wurde ursprünglich von Sun Microsystems entwickelt, einem Unternehmen mit langer Tradition im Bereich Betriebssysteme und Hardware. Sun hat viele Grundlagen für moderne IT-Systeme geschaffen, aber vielen war es nur durch Java bekannt. Das führte auch dazu, dass im August 2007 an der Wertpapierbörse die Kursbezeichnung der Aktie SUNW durch das neue Aktiensymbol JAVA ersetzt wurde.
Sun Microsystems ging es als Unternehmen nie so wirklich gut. Bekannt und respektiert für seine Produkte, fehlte es Sun am Geschick, aus den Produkten und Services Bares zu machen. 2008/2009 häufte sich ein Verlust von 2,2 Milliarden US-Dollar an, was im März 2009 zu Übernahmefantasien seitens IBM führte. Letztendlich schlug einen Monat später die Oracle Corporation zu und übernahm Sun Microsystems für 7,4 Milliarden Dollar, zusammen mit allen Rechten und Patenten für Java, MySQL, Solaris, OpenOffice, VirtualBox und allen anderen Produkten. Einige Open-Source-Projekte hat Oracle mittlerweile eingestellt, aber die großen und kommerziell interessanten erfreuen sich bester Gesundheit.